TÜV-Zertifizierung von Pitch-Servoreglern: Ein Blick hinter die Kulissen
- Automatisierung
- Windenergie
- Antriebstechnik
- 3.6.2025
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Inhalt
Ein modernes, elektrisches Pitch-System besteht in der Regel aus drei unabhängigen Achsen, die jeweils aus den folgenden Komponenten bestehen: Pitch-Servoregler, Motor, Getriebe, Motorgeber, Blattgeber und Energiespeicher. Hinzu kommt ggf. eine zentrale Steuerungseinheit.

Pitch-Systeme gehören zu den sicherheitsrelevantesten Komponenten moderner Windenergieanlagen. Sie steuern den Anstellwinkel der Rotorblätter und damit den Anströmwinkel des Windes an der Blattkante des Rotorblattprofils. Damit wird das auf den Rotor wirkende Drehmoment eingestellt und die aus dem Wind entnommene Energie beeinflusst. Das Pitch-System dient somit als Stellglied im Regelkreis für die Generatorleistung bzw. die Rotordrehzahl. Hierdurch kann die Drehzahl des Rotors begrenzt und die Windenergieanlage vor einer Überdrehzahl geschützt werden.
In kritischen Betriebssituationen führt das Pitch-System eine Bewegung der Rotorblätter (ggfs. nach einem individuellen Profil) in Richtung der Windfahnenstellung durch, um den Rotor der Anlage bis zum Stillstand abzubremsen. Diese Funktion wird auch als „Safe Feathering Run (SFR)“ bezeichnet.
(Mehr dazu erfahren Sie auch in unserer Video-Serie "Windenergy Explained")
Aufgrund dieser kritischen Funktionalität müssen Pitch-Systeme höchsten Sicherheits- und Zuverlässigkeitsanforderungen entsprechen. Die TÜV-Zertifizierung eines Pitch-Umrichters ist ein aufwendiger und komplexer Prozess und stellt eine echte Herausforderung dar.
Sicherheitsrelevanz trifft auf technische Komplexität
Im Gegensatz zu klassischen Servoreglern für industrielle Anwendungen sind Pitch-Systeme extremen Umweltbedingungen, wie Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit und Vibrationen ausgesetzt. Gleichzeitig müssen sie unter allen Umständen zuverlässig arbeiten – auch bei Netzstörungen oder -ausfällen. Eine der größten Herausforderungen: Die Sicherheitsfunktionen, die Pitch-Systeme in Windenergieanlagen erfüllen, wie Not-Stopp oder Safe Feathering Run, müssen funktional sicher– gemäß den Anforderungen der Funktionalen Sicherheit (z. B. PLe nach ISO13849 auf Systemebene) nachgewiesen sein.
Die TÜV-Zertifizierung verlangt systematische Nachweise
Diese sicherheitstechnisch relevanten Funktionen werden nach einem TÜV-zertifizierten Prozess entwickelt und müssen im Rahmen der Zertifizierung vollständig überprüft werden. Jeder Entwicklungsschritt muss mit entsprechenden Verifikationen auf verschiedenen Ebenen des V-Modells begleitet werden: angefangen bei Modul-Tests (beispielsweise Whitebox-Tests) bis hin zu vollständigen Systemtests in einer realitätsnahen Testumgebung. Erst wenn alle Anforderungen auf jeder Ebene eindeutig erfüllt sind, kann eine Validierung des Gesamtsystems erfolgen. Hier wird geprüft, dass das entwickelte Gerät für den Anwendungsfall geeignet ist.

Diese entwicklungsbasierte Art Pitch-Systeme zu zertifizieren, erzeugt eine extrem zuverlässige Software, die eine hohe Prüfgüte und -qualität beinhaltet. Durch die Verwendung einer Software mit diesen Sicherheitsstandards lassen sich sehr stabile Systeme für die Praxis designen.
Testen ohne Stillstand – Ein Balanceakt
Neben den entwicklungsbegleitenden Softwaretests ist es notwendig Fehleranalysen direkt an der Windenergieanlage möglichst schnell analysieren zu können, um lange Stillstände und damit verbundene Ertragsausfälle zu vermeiden.
Da Windenergieanlagen, in denen die Pitch-Servoregler eingesetzt sind, weltweit aufgestellt werden, können für Fehleranalysen vor Ort hohe Reisekosten/-Zeiten entstehen. Zudem ist das Pitch-System in der rotierenden Nabe der Windenergieanlage verbaut – ein schwer zugänglicher Ort.
Ein Zugang hierzu ist im laufenden Betrieb in der Regel nicht möglich.
Sollte es zu Stillstands-Zeiten kommen, entstehen neben den oben genannten Kosten weitere in Form von Ertragsausfällen und Ressourcenbindung für Service und Engineering. Abnahmetests und Fehleranalysen werden daher üblicherweise an Prüfständen durchgeführt, die eine realitätsnahe Simulation des Anlagenbetriebs ermöglichen.
Lesen Sie mehr zum Thema “Hallen- vs. HIL-Prüfstand” in unserem nächsten Blogartikel (erscheint in Kürze).
Fazit: Softwaretests führen zu mehr Sicherheit und erhöhen die Wirtschaftlichkeit
Softwaretests sind der Schlüssel, um die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Effizienz eines Pitch-Systems zu garantieren. Sie ermöglichen es, kritische Funktionen, wie die Sicherheitsfahrt unter allen Bedingungen zu verifizieren, die Integration aller Systemkomponenten zu prüfen und die strengen TÜV-Zertifizierungsanforderungen zu erfüllen – und das alles, bevor das System in Betrieb geht. Durch den Einsatz moderner HIL-Testsysteme und Automatisierungslösungen werden nicht nur Kosten und Zeit gespart, sondern auch ein nachhaltiger Beitrag zur sicheren und wirtschaftlichen Nutzung von Windenergieanlagen geleistet.
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